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Die Begegnung zum Reiseziel erklärt
Matthias Budde, Westerwälder Zeitung, schreibt über “In 80 Tagen um die Welt”. März 2017.
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André Schumacher hat sich am linken Bühnenrand einen Tisch gedeckt. Im Licht von Kerzen stehen eine Flasche Wein und zwei Gläser – für den Veranstalter und die Zuschauer, die in der Pause zu ihm kommen. Schumacher teilt gern und er teilt sich gern mit. Hinter ihm, auf der Leinwand des Kinosaals, läuft seine Multivisionsshow. In 80 Tagen ist der studierte Architekt aus Rostock um die Welt gereist. Nicht gehetzt mit Blick auf die Uhr wie Jules Vernes Protagonist Phileas Fogg, sondern mit dem Blick für das Besondere. Sein Reiseziel ist die Begegnung, sein Reiseführer der Zufall, seine Zeiteinheit der Augenblick.
Mit kleinem Gepäck und großer Achtsamkeit nimmt er seinen Weg von den Azoren mitten im Atlantik über Kenia und Uganda, meditiert in Nepal, reist auf Darwins Spuren zu den urzeitlichen Galapagos-Inseln und dann weiter ins brasilianische Pantanal, um mit den Gauchos auszureiten.
Um Action oder gar politische Verwicklungen geht es Schumacher aber nicht. Er bauscht nicht sensationslüstern auf. Einen beinahe Flugzeugabsturz durch Vogelschlag und Bürgerkriegswirren in Ecuador erwähnt er nur am Rande. Er horcht auf die leisen Töne: Eine Klangkollage aus nächtlichen afrikanischen Urwaldgeräuschen bezaubert die Zuschauer.
Es folgt eine Fotosafari über staubige Schotterpisten. Im Visier: Giraffen, Akazien, Nashörner und Antilopen. Plötzlich eine Nacktschnecke im Nieselregen. Schumacher zeichnet seine ganz eigenen Landschaftsaquarelle. Nicht mit im Bild: der Schalk, der ihm im Nacken sitzt.
Dann wieder Gesichter. Diesmal lachende Kinder in Schuluniform. In Uganda besucht Schumacher einen Freund. Seine Philosophie des Unterwegsseins ist in Wahrheit eine Philosophie des Ankommens. Bei Freunden, bei Fremden, im Augenblick.
Einen Freund hat er auch in Nepal gefunden. Der Journalist Rolf Schmelzer zeigt ihm, wie die Menschen in der quirligen Metropole Kathmandu leben, lieben und essen, ihren Tauschgeschäften nachgehen, Lieder singen und Drachen steigen lassen. Einer grillt mit dem Schweißbrenner am Straßenrand ein Hähnchen. “Hindus dürfen doch nicht töten”, provoziert Schumacher. “Ich bin Christ, ich darf töten, was ich will”, kommt die Antwort. “Namaste, das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in dir.”
Ein kleiner Zeichentrickflieger ist unterwegs zu den Galapagos-Inseln. Hier sieht es aus, wie am 5. Schöpfungstag. Das Wunder des Lebens präsentiert sich in wissenschaftlicher Theorie und mystisch-mythologischer Erfahrung. Einen Widerspruch konstruieren, kann hier allenfalls der Mensch. “Und wo ist der zu Hause, wo bin ich zu Hause”, fragt sich André Schumacher. Der Doppeldecker steigt bis in den Orbit. Unter ihm dreht sich die Erdkugel. Unser aller Zuhause.
Ein grandioser Geschichtenerzähler
Christian Ohlig, Marketing-Manager bei EIZO Europe, schreibt über “In 80 Tagen um die Welt”. Juni 2015.
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Nach einem grandiosen Intro kommt er in den Saal und zündet erst einmal seinen Kerzenleuchter an. Dann schenkt er seinen Zuschauern noch ein Geräusch: das Entkorken der ersten Flasche Wein des heutigen Abends – und André Schumacher macht es sich in seinem mitgebrachten Samtsessel bequem. Danach geht es richtig los, und spätestens jetzt schwant auch dem letzten Besucher, dass ihm ein Abend bevorsteht, der anders ist, als das, was man von Reisefotografen kennt.
Schumacher geht mit seinen Zuschauern auf eine Reise – so weit, so gut, so herkömmlich. Vordergründig wandelt er dabei auf Jules Vernes Spuren und reist in 80 Tagen um die Welt. Dabei nimmt er seine Zuschauer unter anderem mit nach Nepal, Brasilien und Uganda, auf die Galápagos-Inseln und Azoren. Doch anders als viele seiner Kollegen versucht Schumacher erst gar nicht, diese Länder in ihrer Gesamtheit zu zeigen. Er lässt die Zuschauer stattdessen an seinen Erlebnissen und vor allem an seinen Bekanntschaften teilhaben. Nicht über Länder erzählt er, sondern aus Ländern. So entsteht ein einzigartiger, packender Reisebericht, wie ihn nur jemand verfassen kann, der sich wirklich auf das Land, das er bereist, und seine Menschen einlässt.
Schumachers Show ist ein Gesamtkunstwerk! Sie besticht durch beeindruckende Fotos, Filmsequenzen und den mitreißenden Soundtrack aus handverlesener Musik und O-Tönen. Doch das alles wäre nicht vollkommen ohne Schumachers rhetorische Brillianz. Schließt man die Augen, meint man fast, Reinhard Mey würde zu einem sprechen. Man könnte ihm stundenlang zuhören, doch nach 90 Minuten geht die Weltumrundung zu Ende. Zum Glück ist André noch jung – so wird es viele Gelegenheiten geben seinen Geschichten zu lauschen.
Über die Kanaren mit Merian
Auszug eines Gesprächs mit Bianca Schilling von Merian über die verrückte Idee alle sieben Kanareninseln zu Fuß zu durchqueren. Oktober 2012.
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Merian: Sie haben schon einige Abenteuerprojekte hinter sich. Sind etliche Kilometer mit dem Rad durch Norwegen gefahren, zu Fuß 1.600 km von Wien über die Dolomiten bis ins Schweizer Vals gewandert. Wie kamen Sie auf die Idee, die Kanarischen Inseln zu erwandern?
Vor vielen Jahren habe ich auf den Kanaren gelebt: Nach dem Studium arbeitete ich als Architekt erst im Baskenland, dann auf Teneriffa. Es war der erste wirklich große Schritt in die Welt – und eine wunderbare Zeit! Den Atlantik vor der Haustür, einen 4.000 m hohen Berg im Rücken. Meeresfrüchte, schwerer Wein, und wir gewannen einen Wettbewerb nach dem anderen. Ich wollte immer einmal zurückkommen, schauen, wie sich das anfühlt, Freunde wiedersehen – und die mir noch unbekannten Inseln besuchen. All das wollte ich ganz langsam machen. So entstand die Idee, die Inseln zu durchgehen, und mich dabei auf die Suche zu machen nach Geschichten, die mich berühren, nach Personen, die etwas zu sagen haben, nach Orten, die nicht jeder kennt.
Merian: Nach welchen Kriterien haben Sie die Reihenfolge der zu erwandernden Inseln festgelegt?
Die westlichste Insel der Kanaren galt in der Antike als das Ende der Welt. Später verlief durch die südwestliche Spitze El Hierros sogar der Nullmeridian, nach dem sich die geographischen Koordinaten zahlreicher Navigations- und Landkarten drei Jahrhunderte lang richteten, bis die Engländer ihn 1884 nach Greenwich holten. Als sichtbares Zeichen wurde an dieser Stelle der Leuchtturm Faro de Orchilla errichtet, der sich bis heute auf einer Klippe aus der Lavalandschaft erhebt. Könnte es einen schöneren Abschluss für eine Wanderung geben? Also: Von Lanzarote nach El Hierro – dem einstigen Ende Europas. Auch geologisch ist es eine faszinierende Route. Sie folgt der Entstehungsgeschichte der Inselgruppe: von den östlichsten Inseln, die sich vor etwa 22 Millionen Jahren aus dem Meer erhoben, über Gran Canaria, Teneriffa, La Gomera und La Palma, bis nach El Hierro, der mit 1,2 Millionen Jahren jüngsten.
Merian: Wandern Sie quer über die Insel – oder wie legen Sie Ihre Route fest?
Im Vorfeld habe ich Orte herausgesucht, die ich mir unbedingt anschauen möchte: einen Nationalpark, einen Berg, einen Baum. Wege, die ich gerne gehen möchte. Auch Künstler, Politiker und Träumer besuche ich auf meinem Weg. Doch es ist nur ein grobes Gerüst. Wegpunkte. Dazwischen versuche ich offen zu sein für das, was sich entlang des Weges ergibt. Henry Miller soll einmal gesagt haben: “Leben ist das, was uns zustößt, während wir uns etwas ganz anderes vorgenommen haben.” Das gefällt mir. Manchmal frage ich irgendwo nach Wasser, und man kommt ins Gespräch. Ich erfahre, dass die Verwandten 30 km weiter, links ab in den Bergen wohnen; ich könne ihnen doch einen Gruß zutragen… und schon steht die Route!
Merian: Wo übernachten Sie? Haben Sie Ihre Touren so geplant, dass Sie nachts immer in einer Herberge unterkommen?
Unter freiem Himmel. Auf ein Zelt habe ich dieses Mal verzichtet. Es regnet selten, und abgesehen von einem Dutzend hoher Berge ist es auch nie wirklich kalt. Einen leichten Daunenschlafsack und eine Isomatte habe ich dabei. Oft laden mich Leute ein, auch Hotels oder Restaurantbesitzer, nachdem der letzte Kaffee getrunken ist. Ihnen gefällt, dass ich die Inseln zu Fuß durchlaufe, das Hinterland erkunde, und dass ich nicht herumhänge in den Betonburgen korrupter Politiker und Spekulanten.
Merian: Sind Sie allein unterwegs?
Ja, das lag mir am Herzen. Ich wollte einmal ganz im eigenen Rhythmus unterwegs sein. Drei Tage lang gar nichts sagen. Bleiben, wo es mir gefällt. Mal den Rucksack an den Strand schmeißen. Oder auch 50 Kilometer durchziehen bis die Füße so schmerzen, dass man ohne stützende Wanderstiefel nicht mehr stehen könnte. Doch hin und wieder bekomme ich Gesellschaft, und das ist natürlich eine wunderbare Abwechslung! Freunde aus Berlin, alte Bekannte von den Inseln und sogar Vortragsbesucher, die ich noch nie gesehen habe, waren schon da. Ein Blind Date der besonderen Art quasi.
Merian: Haben Sie keine Angst, dass Ihnen unterwegs etwas passiert?
Nein, das hatte ich noch nie. Ich halte es damit, dass zu einem zurückkehrt, was man ausstrahlt. Auch hat mich mein Jahr in Nepal in dieser Hinsicht ein wenig umgepolt: Die Grenzen sind im Kopf. Und nur da! Mein Geist schafft die Realität (übrigens eine Grundannahme der Quantenphysik). Ich lade die Dinge ein – und sie passieren. Auf wundersame Weise.
Merian: Wie sieht Ihre Ausrüstung aus?
Wenn ich diese Wanderung mit anderen Reisen vergleiche, ist sie der reine Genuss. Zwei Jahre mit dem Fahrrad durch Südamerika: Da hatte jeder von uns einen Zentner Gepäck dabei. Zu Fuss durch die Cordillera Huayhuash: 35 Kilogramm haben wir über 6.000 m hohe Pässe geschleppt. Essen für zwei Wochen, Seile, Steigeisen und all das, was man braucht, um bei 20 Grad unter Null nicht die Lust am Leben zu verlieren. Diesmal habe ich nur einen leichten Daunenschlafsack dabei. Der wiegt 300 Gramm. Dazu ein paar Klamotten. Das Schwerste ist die Fotoausrüstung: ein gutes Stativ von Manfrotto, Videokopf, eine Canon 5D Mark II mit zwei guten Optiken, ein paar Gerätschaften für Timelapse-Aufnahmen und mein neues Lieblingsspielzeug: eine Fujifilm X100, die ich immer, aber wirklich immer, bei mir habe! Dazu ein paar schöne Bücher, Schreibzeug und eine Handvoll Alben von Miles Davis. Alles in allem vielleicht 15 Kilo.
Merian: Wie viel Proviant schleppen Sie mit sich herum?
In dieser Hinsicht sind die Kanaren eine dankbare Destination. Legt man es darauf an, kann man für Tage verschwinden ohne jemandem zu begegnen. Vor allem im Hinterland von Fuerteventura war ich lange unterwegs, ohne auch nur einen Menschen zu sehen. Absolute Einsamkeit, gefühlt irgendwo zwischen Patagonien und tibetischem Hochland. Aber auch ein Haus lässt sich jederzeit finden, ein kleines Dorf mit einem Chiringuito (Anm. der Redaktion: kleiner Kiosk) und guter lokaler Küche. Also Fisch, wenn es am Meer liegt. Fleisch und Käse in den Bergen. Je weiter man auf dem Archipel nach Westen kommt, desto grüner wird die Landschaft. Seit ich auf Teneriffa bin, gibt es am Wegesrand jede Menge Brombeeren und Feigen, die Berge sind überzogen mit Feigenkakteen. Und in den Dörfern hängen reife Trauben über den Weg. Sieht so das Paradies aus? Zumindest würde ich keinen Proviant dorthin mitnehmen.
Merian: Wie begegnen Ihnen die Menschen auf den Kanaren? Halten sie Sie für verrückt, dass Sie zu Fuß ihre Inseln überqueren?
Zunächst einmal: Die Einwohner der Kanaren sind einfach wunderbar! Ein wenig wie die Festlandsspanier, aber noch einen Gang entspannter und mit einem tüchtigen Einschlag Lateinamerika. Immer offen für ein Abendessen (nirgendwo auf der Welt gibt es bessere Meeresfrüchte, vom Ziegenkäse ganz zu schweigen) und ein Glas Wein mit Freunden. Natürlich am Strand oder am Rand eines Naturschwimmbeckens. Die Beine im Wasser baumelnd. Da fällt das Integrieren nicht schwer! Ein bisschen “Que tal?” und “Que fresquito el agua!” – und schon ist man im Gespräch. Der Verwunderung tut das jedoch keinen Abbruch, auch wenn sich die Spanier diese mit den meisten anderen Völkern teilen. Kann denn ein Argentinier begreifen, dass jemand mit einem Fahrrad von Ushuaia bis nach Salta radelt? Oder ein Deutscher, sechs Monate frei zu sein? Was können wir uns noch vorstellen in einer Zeit, in der wir ins Auto steigen, um die Zeitung vom Kiosk zu holen?
Merian: Haben Sie – schon jetzt – eine Lieblingsinsel?
Ich bin selbst überrascht: Es ist wohl Fuerteventura. Die älteste Insel der Kanaren. Die staubigste. Die am dünnsten besiedelte. Sie war Verbannungsinsel unter Primo de Rivera und Franco. Ein Skelett aus Erde. Fuerteventura erinnerte mich fortwährend an Patagonien. Doch vor 10 Jahren konnte ich mit der Leere nicht umgehen. Ich hatte Angst vor ihr, habe sie versucht zu füllen. Mit Gesprächen, mit Büchern, mit Musik. Heute ist das anders: Leere ist ein Geburtshelfer von Gedanken. Nichts drumherum. Keine Impulse. Kopf leer. Und dann wird's spannend. Dann kommen Dinge, die man sonst nicht hört. Die im Rauschen verschwinden.
Merian: Wann werden Sie voraussichtlich das letzte Mal Ihre Wanderstiefel schnüren?
Mit 360.
Tanz auf dem Tellerrand
Per Fernschreiber aus Kathmandu: Rolf Schmelzer, Reporter Deutsches Fernsehen, Hochland-Kaffeebauer, Reisebegleiter bei Colibri-Travel. Oktober 2011.
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André Schumacher ist der erste, der mich hier mit dem Schiff besucht! Das klingt nach Abenteuer. Ist es auch. Wie ich später erfahre:
Containerschiff, Piraten, Große Liebe. Nähe. Weite. Leere. Innere Fülle! Nepal hat aber gar keinen Hafen. Nepal ist landlocked. Tibet und
China im Norden. Indien im Süden. Weit mehr als zwei Milliarden Menschen ringsum. Ein Drittel der Weltbevölkerung. Und dazwischen das klitzekleine
Nepal. Nur 200 Kilometer breit. Überschaubar. Die 30 Millionen Nepalesen sprechen allerdings 127 verschiedene Sprachen und feiern mehr als 500
hinduistische, buddhistische, christliche, muslimische und sonstige Feste im Jahr. Und das in mehr als sechstausend nach Räucherstäbchen
duftenden und Glöckchen klingenden Tempeln und Klöstern allein im immergrünen Kathmandutal. Pashupatinath, Boudhanath, Swayambunath. Unüberschaubar.
Unüberhörbar. Unüberriechbar. Unbeschreibbar. Mit nichts auf der Welt zu vergleichen.
Hier wächst zum Beispiel der Mount Everest, zur Zeit 8.848 Meter über dem Meer und jedes Jahr ein paar Zentimeter höher, in den klaren,
kobaltblauen, lichtdurchfluteten Himmel. Was ja auch kaum einer weiß: Hier in Nepal ist es an mehr als 300 Tagen im Jahr sonnig und warm.
Kathmandu liegt südlicher als das Mittelmeer und kennt keinen Frost. Oder diese superleckeren, kleinen Gourmet-Bananen (nur zehn Zentimeter kurz,
krumm und dick), die in deutschen Bio-Läden fünf Euro das Kilo kosten. Mangos – zwanzig verschiedene Sorten! Dazu noch Kokosnüsse, Datteln,
Zitronen, Orangen, Zuckerrohr, Feigen, Tabak, Äpfel, Ganja, Ginseng, Kaffee, Tee, Pfeffer, Oliven, Nüsse, Wein, Pfirsiche, Reis, Mais, Hirse,
Weizen, Kartoffeln, Soja. Und Himalaja-Salz. Nepal ist anders. A Tropical Paradise.
Unsere unendlich scheinende Zeit verbringen wir im grünen Garden of Dreams oder auf der roten Dachterrasse des Marsyangdi Mandala Hotels am Rande
des quirligen Touristenviertels Thamel. Wir besaufen uns open air samt Sternschnuppen in Sam's Pub mit mindestens drei (André) bis fünf (ich)
Mai Tais eiskalt oder auch mal schön kuschelig dunkel mit Mojitos und Wasserpfeifen in der Buddha Bar. Und dann noch dieses Fünf-Sterne-Dinner
im für seine Newari-Architektur preisgekrönten Dwarika’s. Ein Traum!
Klingt alles nach einem Leben auf der Überholspur, oder? – Ja! Wir tanzen auf dem Tellerrand. Wir tanzen. Mit Angelika. Steffi. Birgit.
Tara. Raj. Buddha. Jyoti. Maartje. Ambica. Ganesh. Kylie. Krishna. Reyhan. Stefan. Ingrid. Rudi. Minka. Karen. Luisa. Kristin. Shiva. Lou. Und
Joe le pipe im Castle Resort. Juhuuu!
Fast jeder Morgen mit André beginnt im New Orleans Cafe schräg gegenüber dem Kathmandu Guesthouse, wo er wohnt, mit einer frisch gequirlten
Zitronen-Limonade auf Eis, einem Tibetan Omelette und viel Nepalischem Bio-Milchkaffee. Wir reden und reden und reden und lachen und lachen und
lachen und begegnen hier Menschen “wie zufällig”. Alles fließt, alles fliegt uns zu. Wir sind im Flow. Das Leben ist leicht und luftig. Und wir
freuen uns darüber wie kleine Kinder, die zum ersten Mal küssen.
Als ich André zum ersten Mal hier in Nepal begegnet bin, landete er aus Afrika kommend eilig unterwegs “In 80 Tagen um die Welt” mit einem
kaputten Objektiv. Mega Gau! Auf den holprigen und staubigen Straßen Kenias hatten sich die Linsen der 1.500 € teuren Profioptik gelockert.
Scharfstellen unmöglich. Und in zehn Tagen soll es schon weiter gehen nach Borneo. – “Wollen wir zuerst mal ein neues Objektiv für Dich
holen oder geht's direkt ins Hotel?”, frage ich. André schaut entgeistert: “Wir bekommen in einem der ärmsten Länder der Welt doch kein Objektiv
aus Canons L-Serie!? Ich habe in der letzten Woche halb Afrika danach abgeklappert.”
Auf dem Weg zum Hotel machen wir einen halbstündigen Stopp in der New Road, der High-Tech-Meile mitten in Kathmandu. Fast so wie die Orchid
Road in Singapur. Ein Fotoladen neben dem anderen. Auf weniger als 50 Metern gleich fünf Canon-Shops. Und alle haben die Profi-Linse brandneu
für sagenhafte 1.100 € auf Lager. Gekauft! Nepal ist anders. André Schumacher gelingen genial gute Menschenbilder. Fotos, Filme, Reportagen.
Er sieht! Erlebt die Länder. Erzählt die Landschaften. Liebt die Leute. Das Leben. Mit seinem ganz eigenen und sehr besonderen Blick. Subjektiv.
Mit dem Objektiv. André ist anders! Hohoooo und Juhuu!
Fotoforum
Auszug eines Gesprächs mit Christian Beck von fotoforum über das Fotografieren vom Fahrrad aus, das Erzählen von Geschichten und die Auswahl der richtigen Kameraausrüstung. April 2009.
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fotoforum: Was ist für Sie bei der Fotografie wichtig?
Ich begann zu fotografieren, um die außergewöhnlichen Momente meiner Reisen festzuhalten. Es ist ein sehr lustgesteuertes
Fotografieren, und in der einen oder anderen Aufnahme erkennt man sicherlich noch das Auge des Architekten, dem eine
kindliche Freude am Entdecken von Kompositionen und Strukturen entspringt.
Ferne Landschaften, fremde Kulturen, vor allem aber all die kleinen bereichernden, kuriosen, beizeiten angsteinflößenden
Erlebnisse und Begegnungen in Bildern einzufangen und in Geschichten nach Hause zu tragen, das ist mein Ziel. Es sind
Geschichten, die Spaß machen und faszinieren, die aber auch Fragen aufwerfen wollen, wachrütteln, die für das Fremde
sensibilisieren und durch ihren Blick von außerhalb des Tellerrands zum Nachdenken anregen.
fotoforum: Bekommt man vom Rad aus andere, bessere Bilder als beispielsweise vom Auto?
Unbedingt! Mit dem Fahrrad bin ich der Natur nahe: Ich spüre den Wind auf der Haut, beißende Kälte im Gesicht, die Sonne
im Nacken. Ich rieche die Gräser am Wegesrand. Solche sensorischen Erlebnisse lassen mich anders auf die mich umgebende Natur
schauen. Ich bin dann ein Teil von ihr, bewege mich mit Maß und Respekt.
Darüber hinaus stellt das Fahrrad natürlich eine ideale Brücke zu den Einheimischen dar, auf deren Unterstützung ich viel
stärker angewiesen bin als z. B. ein Autoreisender. Ich brauche mehr Pausen, öfters Wasser, Verpflegung oder Schutz bei extremen
Witterungsverhältnissen. Daraus entstehen nicht selten faszinierende Begegnungen. Ja, es öffnen sich Türen, welche anderen Touristen
oft verschlossen bleiben.
fotoforum: Worauf sollte man achten und welche Kameraausrüstung nehmen Sie mit auf Reisen?
Das hängt sehr vom Projekt ab. Wenn es über mehrere Monate oder gar Jahre gehen soll, empfiehlt sich eine robuste Kamera, auch
wenn es dann mehr zu tragen gibt. Denn bei Staub, Feuchtigkeit und ständiger Rüttelei hilft einem die leichteste Kamera nicht, wenn
sie nicht funktioniert.
Die Beschaffung von analogem Filmmaterial, aber auch das Entwickeln und Heimsenden der Filme kann ein Problem sein und verweist
auf die immer größer werdenden Vorteile der Digitaltechnik. Hier ist vor allem auf ausreichende Akkus und Speicherkarten zu achten.
Meine Ausrüstung beschränkt sich bei langen Reisen auf das Nötigste: Eine Canon EOS 5D und eines der enorm universellen Superzooms
von Tamron. Ist mehr Platz im Gepäck, kommt das wundervolle 17-40er F/4 von Canon hinzu bzw. das ausgezeichnete 28-75er F/2,8 von
Tamron.
Für Tieraufnahmen verwende ich als Zweitkamera gerne die schnelle EOS 50D mit bildstabilisiertem 70-200er F/4 – eines der
besten Objektive, die Canon je gebaut hat.
fotoforum: Haben Sie auch schon schlechte Erfahrungen gemacht?
Nein, noch nie. Ich halte es damit, dass zu einem zurückkehrt, was man ausstrahlt.
Sicher ist es auch von Vorteil, mit Rucksack oder Fahrrad unterwegs zu sein. Ich arbeite vor Ort, packe mit an, lebe mit den
Leuten. Ich suche diese langsame und maßvolle Art der Wahrnehmung und Annäherung an das Fremde – es ist mir die Essenz des
Unterwegsseins. Für Diebe bin ich damit sicherlich kein augenscheinliches Opfer.
fotoforum: Wie sichern Sie Ihre Kameraausrüstung auf dem Rad?
Eine wasserdichte Lenkertasche von Ortlieb bildet das Gerüst. Ich lege sie zusätzlich mit Schaumstoff aus – Teile einer
alten Matratze. Bei großer Hitze, auf dem Altiplano z. B. oder im Amazonas, umhülle ich die von Haus aus schwarze Lenkertasche mit
einer weißen Plastiktüte, um die Sonneneinstrahlung zu mildern.
GEO Online
Auszug eines Gesprächs mit Bianca Gerlach aus der Online-Redaktion von GEO über das Aufwachsen im Osten, den Reiz des Unterwegsseins und den Traum von einem einfachen Leben. März 2009.
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GEO: Ursprünglich wollten Sie von Patagonien bis Alaska radeln. Jetzt wurden es “nur” knapp 13'000 Kilometer. Wie
kamen Sie auf diese Reise-Idee?
Das geht zurück bis zum Mauerfall. Wir beide kommen aus der ehemaligen DDR, und als die Mauer fiel, war klar, dass wir die
Welt erkunden wollten. Fast 14 Jahre lang haben wir diesen Traum dann allerdings noch mit uns herumgetragen. Als es dann endlich
losging, reisten wir so langsam, ließen uns so sehr vom Augenblick verführen, dass wir es gar nicht bis nach Alaska geschafft
haben, sondern nur bis Französisch-Guayana.
GEO: Wie genau haben Sie den Trip geplant?
Eigentlich gar nicht. Die letzten Monate vor der Abreise waren unglaublich stressig. Wir waren ganz aufgerieben von den
Vorbereitungen. Jeden Löffel, jeden Pullover haben wir abgewogen, damit das Gepäck nicht zu schwer wurde. Sponsoren haben wir gesucht,
was nicht leicht war. Als wir dann in Argentinien ankamen, stellten wir fest, dass wir nicht einmal eine Karte dabei hatten.
Das hatte etwas Gutes: Wir haben in diesem Monat beschlossen, uns wie ein Blatt im Wind treiben zu lassen. Unterwegs haben wir
etwa einen Gaucho getroffen, der sagte: “Da hinten gibt es einen tollen See!” Und dort sind wir dann hin. Ein anderer schwärmte
von einem wundervollen Wanderweg durch die Anden – den sind wir dann gegangen.
GEO: Wie haben Sie die Tour finanziert?
Während der Reise haben wir sparsam gelebt – eine Reisephilosophie, für die wir uns ganz bewusst entschieden haben.
Wenn man ein Fahrrad dabei hat und im Zelt übernachtet, braucht man eigentlich nur noch etwas zu essen. Durch diesen Lebensstil
sind wir während der zwei Jahre mit sehr wenig Geld ausgekommen.
Wenn es doch einmal knapp wurde, haben wir uns einfach etwas dazu verdient: Mal habe ich eine Webseite für ein Orchester
gestaltet, dann führten wir für ein halbes Jahr eine Herberge, waren Übersetzer, Reiseleiter in Bolivien. Schließlich habe ich
in San Carlos de Bariloche sogar einen Architekturwettbewerb gewonnen. Von dem Preisgeld konnte ich ein Vierteljahr leben.
GEO: Hatten Sie keine Angst, dass Ihnen die Fahrräder geklaut werden?
Zumindest in Patagonien ist das kein Problem. Oft hatte ich das Gefühl, man hätte dort seinen Rucksack eine Woche lang
auf der Straße liegen lassen können, ohne dass er verschwindet. Anders ist es allerdings in den Vororten von La Paz oder auch in
den Großstädten Perus. Dort sind mehr Touristen unterwegs und Diebe wissen, dass es mehr zu holen gibt.
GEO: Hatten Sie für die Räder Ersatzteile dabei?
Vieles hatten wir mit: Mäntel, Ketten, Speichen, Schläuche. Anderes wurde uns in größeren Abständen von unserem Fahrradbauer
und Freund Hans Pfeiffer von Hardo Wagner nachgeschickt. Die Mäntel haben wir am schnellsten heruntergefahren – kein Wunder,
wenn das Fahrrad 60 Kilogramm wiegt und sich über Tausende Kilometer Schotterpiste schiebt.
GEO: 60 Kilogramm? Das hört sich nach sehr viel an.
Das kommt schnell zusammen. Wir hatten um die 30 Kilo Gepäck, das Fahrrad wiegt 12 Kilo, dann das Essen für ein bis zwei
Wochen. In den heißeren Regionen kam das Riesenproblem Wasser hinzu. Wir hatten dann zusätzlich 15 Kilogramm Wasser auf
dem Gepäckträger.
GEO: Sie sind neben dem Radeln auch Bergwandern gewesen, war das so geplant?
In Patagonien gehört Trekking einfach dazu. Manchmal sind wir wochenlang in der Wildnis verschwunden, ohne jemanden zu treffen.
Etwa auf der Insel Navarino, kurz vor Kap Hoorn. Bis auf einen ehemaligen Militärstützpunkt ist sie komplett unerschlossen –
das ideale Fleckchen, um eine Zeit lang “auszusteigen”. So haben wir denn auch gänzlich auf Fertigprodukte verzichtet: weder Pasta
noch Tütensuppen hatten wir dabei. Stattdessen gingen wir jagen, angeln und backten unser eigenes Brot.
GEO: Sie waren jagen? Hat das geklappt?
Wir waren zu viert unterwegs, und jeder von uns hatte eine Aufgabe. Einer sollte Biber jagen, eine andere hat Pflanzen
gesammelt. Davon bekamen wir immer Durchfall. Burkhard sammelte Holz, ich ging angeln. Letztlich hat nur das Holzsammeln gut
geklappt [lacht]. Glücklicherweise hatten wir eine Menge Mehl dabei. Frisches, duftendes Brot gab's also immer!
GEO: Was hat sich auf Ihrer Reise als unverzichtbar herausgestellt?
Nun, man braucht ein standfestes Zelt und einen warmen Schlafsack, die in Krisensituationen etwas aushalten. Ein gutes
Fahrrad ist natürlich Gold wert. Wir hatten “Lowtech-Räder”, wie wir sie gerne nannten. Daran war nichts, das hätte kaputtgehen
können. Keine Federgabeln, keine Scheibenbremsen, stattdessen außenliegende Gangschaltung, Stahlrahmen.
Und gelernt haben wir auf dieser Reise eines: Je weniger man dabei hat, desto leichter fühlt man sich. Nicht nur, weil man
weniger tragen muss. Auch im übertragenen Sinne: Man ist freier, je weniger man besitzt. Eine wunderbare Erkenntnis! Nach den
ersten Wochen haben wir rigoros aussortiert.
GEO: Was waren das für Sachen?
Eine Wäscheleine und Klammern, ein zweites Paar Schuhe, Rasierzeug, Pullover, Ersatz-T-Shirts. Wenn eines unserer Shirts
durchgetragen war, haben wir uns auf dem Markt ein neues gekauft. So einfach! Eine Ausnahme gab es jedoch: Bücher. Auf unserem
“literarischen Höhepunkt” hatten wir 24 Stück dabei! Das war eine Menge Gewicht, aber auch unser kleiner Schatz.
GEO: Geht es gut, mit einem Freund zu reisen?
Wir sind ein großartiges Team, auch weil wir uns mittlerweile seit 18 Jahren kennen. Fast alle großen Reisen habe ich mit
Burkhard gemacht. Das verbindet uns sehr. Wir wissen, wann der andere an seine Grenzen kommt und wie er sich fühlt, ohne
überhaupt etwas sagen zu müssen. Man geht auf so einer Tour manches Mal an seine Grenzen, und wenn man dann nicht eingespielt
ist, funktioniert es nicht.
Aber natürlich gehört auch die Reibung dazu. Es gab eine Woche, in der haben wir wirklich nur das Nötigste miteinander
gesprochen – kaum ein Wort [lacht].
GEO: Wie war der Wiedereinstieg?
Das Wiederkommen war sehr schwer. Wir waren ein halbes Jahr ziemlich unansprechbar, wussten nicht, was wir tun, wo
wir leben, mit wem wir uns unterhalten sollten. Nach und nach hat sich das wieder ausbalanciert. Mittlerweile kann ich
die gemachten Erfahrungen, die Sehnsüchte und das schnelle Leben in Europa recht gut zusammenbringen.
Nach meiner Rückkehr habe ich für ein Jahr als Reiseleiter für Aktivtouren in ganz Europa gearbeitet. Dann zog ich nach
Berlin und baute ein Netzwerk für Gestaltung und Design auf. Zurzeit arbeite ich als Webdesigner und Fotojournalist.
GEO: Wohin geht es als nächstes?
Zusammen mit Gregor Sieböck brach ich im Sommer 2008 in Wien auf. Unser Ziel: zu Fuß einmal um die Welt – und
ein einfaches Leben im respektvollen Umgang mit der Natur und anderen Lebewesen. Jedes Jahr wollen wir ein Stückchen
weiter laufen, bis wir schließlich, vielleicht mit 80 Jahren, wieder an unserem Ausgangspunkt ankommen [lacht].
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